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Alles neu in 2023? Reform des Betreuungs- und Vormundschaftsrechts

Alex Green | Pexels.com
Ein Gastbeitrag von Vera Veigl, Rechtsanwältin, Familienkanzlei im Alstertal


Anknüpfend an die ersten Beiträge dieser kleinen Serie „Vorsorgeplanung – Ein Überblick“ und Vorsorgevollmacht (Link: https://www.wertundwohlsein.de/2022/09/28/vorsorgevollmacht-wichtiger-bestandteil-der-vorsorgeplanung/ ) geht dieser Gastbeitrag von Vera Veigl auf die Reform des Betreuungs- und Vormundschaftsrechts ein.

 

Hintergrund

Seit 1992 gibt es zwar keine Entmündigung volljähriger Menschen mehr, wohl aber fremdbestimmte Entscheidungen durch gerichtlich eingesetzte Betreuer*innen, die als gesetzliche Stellvertreter*innen der Betroffenen handeln.

Rechtliche Betreuung steht seit ihrer Einführung im Spannungsfeld zwischen staatlicher Fürsorge und der Verwirklichung eines selbstbestimmten Lebens. Die Konzentration auf die Selbstbestimmung in der obersten Rechtsprechung als auch die Stellungnahme des UN-Fachausschusses über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN BRK) führten zu einem Reformprozess, der nun in dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 04.05.2021 mündete, welches zum 01.01.2023 in Kraft getreten ist.

 

Was ist neu?

  • Im Minderjährigenschutzrecht ändert sich hinsichtlich der Elternrechte nichts, die Position der Pflegefamilien wird gestärkt.
  • Im Erwachsenenschutzrecht werden die Grundzüge der UN BRK (UN-Behindertenrechtskonvention) umgesetzt.
  • Das Ehegattenvertretungsrecht wird ab dem 01.01.2023 in § 1358 BGB neu eingeführt.

 

Doch was bedeutet dies nun genau? Die folgenden Ausführungen werden sich auf die beiden letzten Punkte konzentrieren.

 

Erwachsenenschutzrecht

Die zentralen Vorschriften des Betreuungsrechts im Rahmen des Erwachsenenschutzrechtes wurden neu konzipiert. Die rechtliche Stellvertretung durch Betreuer*innen bleibt erhalten, aber es gilt nun als Richtschnur des gesamten Betreuungsrechts die Vorrangigkeit der Unterstützungsarbeit und die Wunschbefolgungspflicht. Eine Betreuung gegen den Willen von Betroffenen darf es nicht mehr geben.

Als Voraussetzung für die Betreuer*innenbestellung muss neben dem objektiven Betreuungsbedarf auch ein subjektives Betreuungsbedürfnis vorliegen, d.h. das Betreuungsbedürfnis muss ursächlich auf einer Krankheit oder Behinderung beruhen. Dadurch wird klargestellt, dass nicht allein aufgrund des Vorliegens einer Krankheit oder Behinderung auf einen objektiven Betreuungsbedarf zu schließen ist.

Eine Betreuer*innenbestellung kann zudem entfallen, wenn die Angelegenheiten anders als durch die Bestellung einer Betreuer*in geregelt werden können – beispielsweise durch Unterstützungsangebote, hinsichtlich des Behandlungswillens bei Vorliegen einer Patientenverfügung und bei rechtlichen Angelegenheiten bei Vorliegen einer wirksamen Bevollmächtigung.

Insgesamt verbessert die Reform, durch eine weniger entmündigende Wirkung der Betreuung, durch verstärkte Einbeziehung der Betroffenen und vorrangiger Berücksichtigung seiner/ihrer Wünsche, die Situation von Betreuten. In der Praxis wird die Umsetzung der Reform allerdings noch Zeit in Anspruch nehmen. Es bleibt zudem die Befürchtung, dass die Einbeziehung der Betreuten oft an fehlenden zeitlichen und / oder finanziellen Ressourcen scheitern wird.

Weiterführende Informationen gibt es bei Betreuungsvereinen.

 

Ehegattenvertretungsrecht

Zum 01.01.2023 wurden außerdem die neuen Regeln des Ehegattenvertretungsrechts (§ 1358 BGB ff.) eingeführt. Das neue Vertretungsrecht kann in Akutfällen, unabhängig von der Zustimmung der Betroffenen, die Betreuung überflüssig machen.

Zu beachten ist, dass es sich bei den neuen Regelungen des Ehegattenvertretungsrechts um ein Notvertretungsrecht handelt, das auf den engen inhaltlichen Anwendungsbereich von Angelegenheiten der Gesundheitssorge und zeitlich auf eine Dauer von maximal 6 Monaten begrenzt ist. Für den Fall, dass der/die andere Ehegatt*in nicht in der Lage ist, seine/ihre Angelegenheiten selbst zu erledigen, darf der/die Ehegatt*in Entscheidungen über Heilbehandlungen treffen und damit im Zusammenhang stehende Verträge abschließen.

Zwingende Voraussetzung für die gesetzliche Stellvertretung durch Ehegatten ist eine Bestätigung durch eine/n Ärzt*in über den gesundheitlichen Zustand des/der anderen Ehegatt*in und zwingend auch der Kausalität für die Unfähigkeit zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten, außerdem die Prüfung von gesetzlichen Ausschlussgründen. Ein Stellvertretungsrecht scheidet demnach beispielsweise aus, wenn dem/der Ärzt*in oder dem vertretenden Ehegatten die Ablehnung der Vertretung durch den Ehegatten bekannt ist oder wenn die Voraussetzungen der Trennung vorliegen.

 

Werden General- und Vorsorgevollmachten für Eheleute nun überflüssig?

Durch die enge Begrenzung des Anwendungsbereichs und die zusätzlichen rechtlichen Voraussetzungen – bis hin zur Anforderung der Prüfung von Ausschlussgründen durch Ärzt*innen – erscheint das Ehegattenstellvertretungsrecht nicht praxistauglich und jedenfalls nicht geeignet, eine umfassende Vorsorgeregelung durch Generalvollmachten zu ersetzen. Andere als eheliche Formen des Zusammenlebens werden zudem nicht erfasst.

Es ist weiterhin auch für Eheleute dringend zu empfehlen Vorsorgeregelungen durch geeignete Vollmachten zu treffen. Diese Vollmachten bleiben weiterhin uneingeschränkt möglich und schließen die Anwendung des gesetzlichen Notvertretungsrechts aus.

Weiterhin möglich bleibt außerdem, dass Betroffene eigene Wünsche zur Betreuer*innenwahl äußern. Diese Wünsche sind nach den neuen gesetzlichen Regelungen wesentlich und das Betreuungsgericht hat ihnen grundsätzlich zu entsprechen.

 

 

Weiterführende Links:

Vorsorgeplanung – Ein Überblick!
Vorsorgevollmacht – wichtiger Bestandteil der Vorsorgeplanung
Vorsorge für schwere Krankheiten: Dread-Disease/Multi-Risk-Versicherung (DDV/MRV)
Funktionelle Invaliditätsabsicherung (FIV)

 

Weitere Informationen zur Familienkanzlei der Gastautorin unter famika.de