Viele fragen sich „Wie kann ich nachhaltig anlegen?“ Doch Nachhaltigkeits-Wünsche, d.h. im weitesten Sinne Nachhaltigkeitspräferenzen können von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich sein.
Warum ist das so? Weil Nachhaltigkeit einen sehr großen und vielfältigen Themenkreis von unterschiedlichen Aspekten aufwirft: Was die Eine als „sauber“ bezeichnet, könnte von anderen Menschen vielleicht ganz anders bewertet werden. Deshalb gibt es hierfür neue gesetzliche Regeln. Und das sogar in ganz Europa einheitlich. Denn das Erfassen der „Nachhaltigkeitspräferenzen“ wurde vom europäischen Gesetzgeber geregelt – und zwar mit einer sog. „delegierten Verordnung“ (Art. 2 Nr. 7 der Verordnung (EU) 2017/565). Eine del VO bedeutet sozusagen einen Nachtrag zu einer EU-Richtlinie. Die entsprechende Richtlinie wird in Finanzkreisen als „MiFID II“ bezeichnet. Letztere regelt und harmonisiert den Wertpapierhandel europaweit. Die „MiFID II“ soll auch einen hohen Anlegerschutz gewährleisten. Wer ganz Konkretes zu diesem Regelwerk wissen und vielleicht sogar direkt bei der EU nachlesen möchte, findet Informationen im Netz.
Finanzdienstleistungsindustrie in der Pflicht
Bei der „Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen“ handelt es sich um einen weiteren Baustein, eines Maßnahmenbündels mit dem der europäische Gesetzgeber die Finanzdienstleistungsindustrie in die Pflicht nimmt. Seit Anfang August 2022 ist nun verpflichtend geregelt, dass im Rahmen einer Investitionsentscheidung ein Anleger bzw. eine Anlegerin befragt werden muss, ob und inwieweit Finanzinstrumente, die Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, bei der Vermögensanlage eingesetzt werden sollen.
3 Regelwerke zur Nachhaltigkeitspräferenz-Erfassung und Dokumentation
Auch wenn wir hier im Team von Kris Hauf schon sehr lange Anlagepräferenzen abfragen und erfassen, ist das leider nicht ganz so einfach, wie es sich anhört. Zunächst gibt es drei wichtige Regelwerke, denen eine Beratung unterliegt, bzw. eigentlich eher in welcher Form Nachhaltigkeitspräferenzen mitgeteilt werden können und festgehalten werden müssen:
Regelwerk 1: EU-Offenlegungsverordnung
Als 1. gibt es die EU-Verordnung „über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor“, kurz EU-Offenlegungsverordnung genannt und manchmal mit „SFDR“ abgekürzt (Sustainable Finance Disclosure Regulation).
Das 2. Regelwerk ist die sog. Taxonomie-Verordnung – manchmal auch mit „TVO“ abgekürzt. Mit dieser Taxonomie-Verordnung wird ein EU-weit einheitliches System zur Einstufung der Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten etabliert.
Seit 2022 wird Nachhaltigkeit in einem Unternehmen oder in der Wirtschaft anhand von drei Faktoren betrachtet. Diese drei Faktoren sind bekannt als die „ESG-Kriterien“. Dabei steht das E als Abkürzung für Environment – also ökologische Aspekte, das S für Social – was im Deutschen oft mit „soziale Aspekte“ übersetzt wird, im Englischen aber auch das noch breitere Feld von „gesellschaftlichen Aspekten“ umfasst, sowie das G für Governance. Beispielthemen hierfür sind transparente Unternehmensführung oder keine Korruption und keine Bestechung.
Bei der aktuellen Taxonomie Verordnung ist es nun so, dass zunächst das „E“ im Vordergrund steht – also das E aus „ESG“ – der Bereich Umwelt. Dieser Bereich Umwelt ist wiederum in sechs Ziele untergliedert, von denen zwei – Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel – seit dem 1. Januar 2022 in Kraft sind.
Die weiteren vier Ziele im Umweltbereich sowie Ziele die Social und Governance zuzuordnen sind, sind aktuell vom Gesetzgeber noch nicht abschließend bearbeitet und reguliert. Schlussendlich werden sie in sog. „delegierten Rechtsakten“ zunächst auf EU-Ebene beschlossen und festgehalten. Diese delegierten Rechtsakte gehen sehr ins Detail und erfordern damit entsprechende politische Diskussionen und Einigungen im Vorfeld. Schauen wir uns das einmal am Beispiel Immobilien an:
Also für den Immobilienbereich wird festgelegt, dass
- der Primärenergiebedarf nicht den Schwellenwert für Niedrigenergiegebäude überschreiten darf
- die Gesamtenergieeffizienz zertifiziert werden muss
- zusätzliche Anforderungen an den Wasserdurchfluss von Wasserhähnen, Duschen und Toiletten gestellt werden
- es muss ein 70-prozentiger Mindestanteil von recyclingfähigen Bau- und Abbruchabfällen gewährleistet sein …
…und zusätzlich gelten detaillierte Vorgaben für die Verwendung ökologischer Baustoffe – um diese Aufzählung noch kurz abzuschließen. Und ja: Stimmt! Geht ziemlich ins Detail – und insofern stehen noch zahlreiche Regularien aus, wodurch Unternehmen verpflichtet werden zu berichten, inwieweit ihre wirtschaftliche Tätigkeit der Taxonomie entspricht.
Regelwerk 2: Taxonomie-Verordnung
Stand heute – also Sommer 2022 – müssen wir davon ausgehen, dass der Anteil der Unternehmen, die entsprechend der Taxonomie tätig sind, bei deutlich unter 10% aller Unternehmen in Europa liegt.
Das ist auch eine der großen Herausforderungen im Hinblick auf die TVO. Hinzu kommt, dass die Taxonomie ja bislang nur für zwei der sechs Punkte aus dem „E“ geregelt ist, wie wir vorhin bereits festgestellt haben. Und zwar sind das die beiden Bereiche:
- Eindämmung des Klimawandels
- Anpassung an den Klimawandel
Es fehlen also:
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung und Kontrolle von Umweltverschmutzung
- Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme
Die strengste Nachhaltigkeitspräferenz wird also aktuell durch einen
Mindestanteil an ökologisch nachhaltigen Investitionen im Sinne der Taxonomieverordnung übermittelt, die bei der Anlageempfehlung bzw. dann Anlageentscheidung berücksichtig werden müssen.
Also, wenn Finanzinstrumente, die der Taxonomieverordnung entsprechen, d.h. dem Regelwerk der EU zur Definition ökologischer Investments eingesetzt werden. Das sind Wirtschaftstätigkeiten, die einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines der Umweltziele nach Art. 9 der TVO leisten und keine erhebliche Beeinträchtigung der anderen Umweltziele mit sich bringen.
Als zusammenfassende Überschrift zu TVO (Taxonomie VO und SFDR (Offenlegungsverordnung) lässt sich an dieser Stelle festhalten: Bei diesen beiden Regelwerken geht es grundsätzlich darum, dass die betreffenden Anlagen, d.h. die Unternehmen „einen positiven Beitrag leisten“
Regelwerk 3: Principal Adverse Impacts
Beim „dritten Regelwerk“ handelt es sich um die sog. „PAI“. PAI ist eine Abkürzung für Principal Adverse Impacts also „nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren“.
Im Rahmen dieser PAI schreibt die EU vor, wie Finanzmarktteilnehmende seit dem Jahr 2021 negative Auswirkungen auf die Umwelt und Gesellschaft in einer standardisierten Form zu berichten sind. Nachhaltigkeits-faktoren sind Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.
Die nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren werden anhand sogenannter Nachhaltigkeitsindikatoren bestimmt. Der europäische Gesetzgeber hat 18 Standard-PAIs und Dutzende weitere Indikatoren definiert. Dabei reicht die Liste von den Treibhausgasemissionen über den Anteil gefährlicher Abfälle, die ein Unternehmen produziert oder den Wasserverbrauch bis hin zu Geschlechtervielfalt in Leitungs- und Kontrollorganen oder geschlechterspezifisches Verdienstgefälle (was auch kurz als „Gender Pay Gap“ bezeichnet wird).
„Nachhaltigkeitsrisiken“ vs. „wesentliche nachteilige Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsfaktoren“
Bei den Nachhaltigkeitsrisiken geht es darum, dass in einer Beratung aufgeklärt wird, wie Nachhaltigkeitsfaktoren den Wert der Investition negativ beeinflussen können. Bei den „wesentlichen nachteiligen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsfaktoren“ geht es darum, die Anleger:innen darüber aufzuklären, wie eine persönliche Investition die Nachhaltigkeitsfaktoren beeinflusst.
Beispiel Nachhaltigkeitsrisiko
Ein Beispiel für ein Nachhaltigkeitsrisiko wäre z.B. wenn ein Anleger bzw. eine Anlegerin in ein Finanzprodukt investieren würde, das ein Windkraftwerk in der Nordsee betreibt. Der Klimawandel, der zu einem Anstieg des Meeresspiegels führt, ist dann ein Nachhaltigkeitsrisiko, weil das Windkraftwerk ggfs. im Meer versinkt und damit die Investition der Anlegerin/des Anlegers einen Totalverlust erleiden würde.
Beispiel für wesentliche nachteilige Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsfaktoren
Wenn beispielsweise in einen Investmentfonds investiert würde, der seine Anlagen schwerpunktmäßig in Goldminen in Burkina Faso und Kakaoplantagen aus der Elfenbeinküste tätigen würde. Laut UNICEF werden diese Goldminen oder Kakoplantagen häufig mit Kinderarbeit betrieben. Deshalb würde eine solche Anlage zu wesentlichen nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (hier als z.B. auf den Nachhaltigkeitsfaktor Menschenrechte und weitere) führen.
Wie lassen sich Risiken und Auswirkungen ausmachen?
Der Kapitalmarkt wurde bereits seit vielen Jahren bis in viele Details hinein reguliert. Nun konnte eine Vorgabe, nämlich die der sog. „Zielmarktbestimmung“ durch das sog. „ESG-Zielmarkt-konzept“ erweitert werden um Angaben zu nachhaltigkeits-bezogenen Zielen und zudem durch Nachhaltigkeitsfaktoren ergänzt werden. Darauf haben sich in Deutschland die Hersteller von Finanzinstrumenten geeinigt. In diesem sog. „Verbändekonzept“ werden Finanzinstrumente anhand der Indikatoren geclustert, also zusammen gruppiert und sog. „Mindestausschlüsse“ definiert.
Viele angestoßene Maßnahmen – was bleibt am Ende für den/die entscheidende/n Anleger/in?
Nun: Vor allem Geduld! Jede/r kann und sollte ihre/seine Nachhaltigkeitspräferenzen, also was für sie/ihn Nachhaltigkeit bedeutet im Vorfeld einer Anlageberatung mitteilen. Im nächsten Schritt gilt es zu prüfen, inwieweit sich Präferenzen aktuell bereits umsetzen lassen. Das Ergebnis sollte dann abgeglichen werden mit weiteren Wünschen, Zielen und Vorstellungen. Die individuelle Lebenssituation ist immer die persönliche Grundlage, auf der es zu überlegen und planen gilt. Hinzu kommt die Frage, ob bereits Kenntnisse und Erfahrungen zur Geldanlage vorhanden sind und was es eventuell noch an Informationen braucht.
Müssen sich denn alle sich zwingend für Nachhaltigkeitspräferenzen entscheiden, auch, wenn sie gar keine haben?
Nein, das ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Es handelt sich nur um ein Recht bzw. eine Möglichkeit. Dann wird – nach der Ermittlung der bisher auch erforderlichen Daten, wie bspw. welche Kenntnisse und Erfahrungen und welche Anlagen der/die Anleger/in bereits besitzt, wo er/sie aktuell steht, wie risikobereit er/sie ist und welche Wünsche und Ziele er/sie hat, ergänzend noch das ein sog. „Nachhaltigkeitsprofil“ erhoben. Das beginnt mit einer Frage wie: „Soll das Thema Nachhaltigkeit bei Ihren Anlagen oder anderen Finanzthemen berücksichtigt werden?“ und unterteilt dann weiter in Positive Auswirkungen – da geht es dann um Umfang der Förderung von Nachhaltigkeitszielen und Negative Auswirkungen – wo es dann um den Umfang der Vermeidung geht – was jeweils in Stufen pauschal angegeben wird. Durch das bereits erwähnte „Verbändekonzept“ hier in Deutschland sind zahlreiche Angaben bereits standardisiert und damit relativ transparent vergleichbar.
Konkrete Umsetzung durch Nachhaltigkeitsprofil
Nachhaltiges Anlegen lässt sich schon heute durch ein konkretes Beratungsergebnis realisieren. Ergebnis der Beratung kann z.B. auch ein sog. „Nachhaltigkeitsprofil“ sein. Also das, was nach Ermittlung der Nachhaltigkeitspräferenzen dann vorliegt. Dies lässt sich mit dem aktuell vorhandenen Angebot abgleichen – und dann entscheiden, ob und was dann persönlich passt. Das wird vermutlich am Anfang nicht genau das sein, was wir uns zu 100% unter nachhaltiger Geldanlage vorstellen oder auf Sicht gerne hätten – aber mehr, als wir zuvor hatten und, wie mehrfach erwähnt, es ist ein Prozess – was auch hier bedeutet: Über Zeit kommen immer mehr Informationen dazu, die uns allen zur Verfügung stehen werden.
Sie haben noch weitere Fragen oder Beratungsbedarf? Schreiben Sie uns und fordern Sie die Kompakt-PDF-Information zum Nachhaltigen Geldanlegen ab.
Weiterführende Links:
Blogbeitrag Nachhaltig Geld anlegen: Welche Anlageprozesse gibt es neben Ausschlusskriterien?
Blogbeitrag Nachhaltigkeit bei der Geldanlage: ESG – Sustainable Finance ein Must oder ein Kann?
Viele fragen sich „Wie kann ich nachhaltig anlegen?“ Doch Nachhaltigkeits-Wünsche, d.h. im weitesten Sinne Nachhaltigkeitspräferenzen können von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich sein.
Warum ist das so? Weil Nachhaltigkeit einen sehr großen und vielfältigen Themenkreis von unterschiedlichen Aspekten aufwirft: Was die Eine als „sauber“ bezeichnet, könnte von anderen Menschen vielleicht ganz anders bewertet werden. Deshalb gibt es hierfür neue gesetzliche Regeln. Und das sogar in ganz Europa einheitlich. Denn das Erfassen der „Nachhaltigkeitspräferenzen“ wurde vom europäischen Gesetzgeber geregelt – und zwar mit einer sog. „delegierten Verordnung“ (Art. 2 Nr. 7 der Verordnung (EU) 2017/565). Eine del VO bedeutet sozusagen einen Nachtrag zu einer EU-Richtlinie. Die entsprechende Richtlinie wird in Finanzkreisen als „MiFID II“ bezeichnet. Letztere regelt und harmonisiert den Wertpapierhandel europaweit. Die „MiFID II“ soll auch einen hohen Anlegerschutz gewährleisten. Wer ganz Konkretes zu diesem Regelwerk wissen und vielleicht sogar direkt bei der EU nachlesen möchte, findet Informationen im Netz.
Finanzdienstleistungsindustrie in der Pflicht
Bei der „Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen“ handelt es sich um einen weiteren Baustein, eines Maßnahmenbündels mit dem der europäische Gesetzgeber die Finanzdienstleistungsindustrie in die Pflicht nimmt. Seit Anfang August 2022 ist nun verpflichtend geregelt, dass im Rahmen einer Investitionsentscheidung ein Anleger bzw. eine Anlegerin befragt werden muss, ob und inwieweit Finanzinstrumente, die Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, bei der Vermögensanlage eingesetzt werden sollen.
3 Regelwerke zur Nachhaltigkeitspräferenz-Erfassung und Dokumentation
Auch wenn wir hier im Team von Kris Hauf schon sehr lange Anlagepräferenzen abfragen und erfassen, ist das leider nicht ganz so einfach, wie es sich anhört. Zunächst gibt es drei wichtige Regelwerke, denen eine Beratung unterliegt, bzw. eigentlich eher in welcher Form Nachhaltigkeitspräferenzen mitgeteilt werden können und festgehalten werden müssen:
Regelwerk 1: EU-Offenlegungsverordnung
Als 1. gibt es die EU-Verordnung „über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor“, kurz EU-Offenlegungsverordnung genannt und manchmal mit „SFDR“ abgekürzt (Sustainable Finance Disclosure Regulation).
Das 2. Regelwerk ist die sog. Taxonomie-Verordnung – manchmal auch mit „TVO“ abgekürzt. Mit dieser Taxonomie-Verordnung wird ein EU-weit einheitliches System zur Einstufung der Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten etabliert.
Seit 2022 wird Nachhaltigkeit in einem Unternehmen oder in der Wirtschaft anhand von drei Faktoren betrachtet. Diese drei Faktoren sind bekannt als die „ESG-Kriterien“. Dabei steht das E als Abkürzung für Environment – also ökologische Aspekte, das S für Social – was im Deutschen oft mit „soziale Aspekte“ übersetzt wird, im Englischen aber auch das noch breitere Feld von „gesellschaftlichen Aspekten“ umfasst, sowie das G für Governance. Beispielthemen hierfür sind transparente Unternehmensführung oder keine Korruption und keine Bestechung.
Bei der aktuellen Taxonomie Verordnung ist es nun so, dass zunächst das „E“ im Vordergrund steht – also das E aus „ESG“ – der Bereich Umwelt. Dieser Bereich Umwelt ist wiederum in sechs Ziele untergliedert, von denen zwei – Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel – seit dem 1. Januar 2022 in Kraft sind.
Die weiteren vier Ziele im Umweltbereich sowie Ziele die Social und Governance zuzuordnen sind, sind aktuell vom Gesetzgeber noch nicht abschließend bearbeitet und reguliert. Schlussendlich werden sie in sog. „delegierten Rechtsakten“ zunächst auf EU-Ebene beschlossen und festgehalten. Diese delegierten Rechtsakte gehen sehr ins Detail und erfordern damit entsprechende politische Diskussionen und Einigungen im Vorfeld. Schauen wir uns das einmal am Beispiel Immobilien an:
Also für den Immobilienbereich wird festgelegt, dass
…und zusätzlich gelten detaillierte Vorgaben für die Verwendung ökologischer Baustoffe – um diese Aufzählung noch kurz abzuschließen. Und ja: Stimmt! Geht ziemlich ins Detail – und insofern stehen noch zahlreiche Regularien aus, wodurch Unternehmen verpflichtet werden zu berichten, inwieweit ihre wirtschaftliche Tätigkeit der Taxonomie entspricht.
Regelwerk 2: Taxonomie-Verordnung
Stand heute – also Sommer 2022 – müssen wir davon ausgehen, dass der Anteil der Unternehmen, die entsprechend der Taxonomie tätig sind, bei deutlich unter 10% aller Unternehmen in Europa liegt.
Das ist auch eine der großen Herausforderungen im Hinblick auf die TVO. Hinzu kommt, dass die Taxonomie ja bislang nur für zwei der sechs Punkte aus dem „E“ geregelt ist, wie wir vorhin bereits festgestellt haben. Und zwar sind das die beiden Bereiche:
Es fehlen also:
Die strengste Nachhaltigkeitspräferenz wird also aktuell durch einen
Mindestanteil an ökologisch nachhaltigen Investitionen im Sinne der Taxonomieverordnung übermittelt, die bei der Anlageempfehlung bzw. dann Anlageentscheidung berücksichtig werden müssen.
Also, wenn Finanzinstrumente, die der Taxonomieverordnung entsprechen, d.h. dem Regelwerk der EU zur Definition ökologischer Investments eingesetzt werden. Das sind Wirtschaftstätigkeiten, die einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines der Umweltziele nach Art. 9 der TVO leisten und keine erhebliche Beeinträchtigung der anderen Umweltziele mit sich bringen.
Als zusammenfassende Überschrift zu TVO (Taxonomie VO und SFDR (Offenlegungsverordnung) lässt sich an dieser Stelle festhalten: Bei diesen beiden Regelwerken geht es grundsätzlich darum, dass die betreffenden Anlagen, d.h. die Unternehmen „einen positiven Beitrag leisten“
Regelwerk 3: Principal Adverse Impacts
Beim „dritten Regelwerk“ handelt es sich um die sog. „PAI“. PAI ist eine Abkürzung für Principal Adverse Impacts also „nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren“.
Im Rahmen dieser PAI schreibt die EU vor, wie Finanzmarktteilnehmende seit dem Jahr 2021 negative Auswirkungen auf die Umwelt und Gesellschaft in einer standardisierten Form zu berichten sind. Nachhaltigkeits-faktoren sind Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.
Die nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren werden anhand sogenannter Nachhaltigkeitsindikatoren bestimmt. Der europäische Gesetzgeber hat 18 Standard-PAIs und Dutzende weitere Indikatoren definiert. Dabei reicht die Liste von den Treibhausgasemissionen über den Anteil gefährlicher Abfälle, die ein Unternehmen produziert oder den Wasserverbrauch bis hin zu Geschlechtervielfalt in Leitungs- und Kontrollorganen oder geschlechterspezifisches Verdienstgefälle (was auch kurz als „Gender Pay Gap“ bezeichnet wird).
„Nachhaltigkeitsrisiken“ vs. „wesentliche nachteilige Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsfaktoren“
Bei den Nachhaltigkeitsrisiken geht es darum, dass in einer Beratung aufgeklärt wird, wie Nachhaltigkeitsfaktoren den Wert der Investition negativ beeinflussen können. Bei den „wesentlichen nachteiligen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsfaktoren“ geht es darum, die Anleger:innen darüber aufzuklären, wie eine persönliche Investition die Nachhaltigkeitsfaktoren beeinflusst.
Beispiel Nachhaltigkeitsrisiko
Ein Beispiel für ein Nachhaltigkeitsrisiko wäre z.B. wenn ein Anleger bzw. eine Anlegerin in ein Finanzprodukt investieren würde, das ein Windkraftwerk in der Nordsee betreibt. Der Klimawandel, der zu einem Anstieg des Meeresspiegels führt, ist dann ein Nachhaltigkeitsrisiko, weil das Windkraftwerk ggfs. im Meer versinkt und damit die Investition der Anlegerin/des Anlegers einen Totalverlust erleiden würde.
Beispiel für wesentliche nachteilige Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsfaktoren
Wenn beispielsweise in einen Investmentfonds investiert würde, der seine Anlagen schwerpunktmäßig in Goldminen in Burkina Faso und Kakaoplantagen aus der Elfenbeinküste tätigen würde. Laut UNICEF werden diese Goldminen oder Kakoplantagen häufig mit Kinderarbeit betrieben. Deshalb würde eine solche Anlage zu wesentlichen nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (hier als z.B. auf den Nachhaltigkeitsfaktor Menschenrechte und weitere) führen.
Wie lassen sich Risiken und Auswirkungen ausmachen?
Der Kapitalmarkt wurde bereits seit vielen Jahren bis in viele Details hinein reguliert. Nun konnte eine Vorgabe, nämlich die der sog. „Zielmarktbestimmung“ durch das sog. „ESG-Zielmarkt-konzept“ erweitert werden um Angaben zu nachhaltigkeits-bezogenen Zielen und zudem durch Nachhaltigkeitsfaktoren ergänzt werden. Darauf haben sich in Deutschland die Hersteller von Finanzinstrumenten geeinigt. In diesem sog. „Verbändekonzept“ werden Finanzinstrumente anhand der Indikatoren geclustert, also zusammen gruppiert und sog. „Mindestausschlüsse“ definiert.
Viele angestoßene Maßnahmen – was bleibt am Ende für den/die entscheidende/n Anleger/in?
Nun: Vor allem Geduld! Jede/r kann und sollte ihre/seine Nachhaltigkeitspräferenzen, also was für sie/ihn Nachhaltigkeit bedeutet im Vorfeld einer Anlageberatung mitteilen. Im nächsten Schritt gilt es zu prüfen, inwieweit sich Präferenzen aktuell bereits umsetzen lassen. Das Ergebnis sollte dann abgeglichen werden mit weiteren Wünschen, Zielen und Vorstellungen. Die individuelle Lebenssituation ist immer die persönliche Grundlage, auf der es zu überlegen und planen gilt. Hinzu kommt die Frage, ob bereits Kenntnisse und Erfahrungen zur Geldanlage vorhanden sind und was es eventuell noch an Informationen braucht.
Müssen sich denn alle sich zwingend für Nachhaltigkeitspräferenzen entscheiden, auch, wenn sie gar keine haben?
Nein, das ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Es handelt sich nur um ein Recht bzw. eine Möglichkeit. Dann wird – nach der Ermittlung der bisher auch erforderlichen Daten, wie bspw. welche Kenntnisse und Erfahrungen und welche Anlagen der/die Anleger/in bereits besitzt, wo er/sie aktuell steht, wie risikobereit er/sie ist und welche Wünsche und Ziele er/sie hat, ergänzend noch das ein sog. „Nachhaltigkeitsprofil“ erhoben. Das beginnt mit einer Frage wie: „Soll das Thema Nachhaltigkeit bei Ihren Anlagen oder anderen Finanzthemen berücksichtigt werden?“ und unterteilt dann weiter in Positive Auswirkungen – da geht es dann um Umfang der Förderung von Nachhaltigkeitszielen und Negative Auswirkungen – wo es dann um den Umfang der Vermeidung geht – was jeweils in Stufen pauschal angegeben wird. Durch das bereits erwähnte „Verbändekonzept“ hier in Deutschland sind zahlreiche Angaben bereits standardisiert und damit relativ transparent vergleichbar.
Konkrete Umsetzung durch Nachhaltigkeitsprofil
Nachhaltiges Anlegen lässt sich schon heute durch ein konkretes Beratungsergebnis realisieren. Ergebnis der Beratung kann z.B. auch ein sog. „Nachhaltigkeitsprofil“ sein. Also das, was nach Ermittlung der Nachhaltigkeitspräferenzen dann vorliegt. Dies lässt sich mit dem aktuell vorhandenen Angebot abgleichen – und dann entscheiden, ob und was dann persönlich passt. Das wird vermutlich am Anfang nicht genau das sein, was wir uns zu 100% unter nachhaltiger Geldanlage vorstellen oder auf Sicht gerne hätten – aber mehr, als wir zuvor hatten und, wie mehrfach erwähnt, es ist ein Prozess – was auch hier bedeutet: Über Zeit kommen immer mehr Informationen dazu, die uns allen zur Verfügung stehen werden.
Sie haben noch weitere Fragen oder Beratungsbedarf? Schreiben Sie uns und fordern Sie die Kompakt-PDF-Information zum Nachhaltigen Geldanlegen ab.
Weiterführende Links:
Blogbeitrag Nachhaltig Geld anlegen: Welche Anlageprozesse gibt es neben Ausschlusskriterien?
Blogbeitrag Nachhaltigkeit bei der Geldanlage: ESG – Sustainable Finance ein Must oder ein Kann?