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Fonds in stürmischen Zeiten – Anlageklassen, ein unbemerkter Crash im Anleihemarkt und steigende Zinsen

Andrew Beatson | pexels.com

Nicole ist 34 Jahre alt und fragt sich angesichts der aktuellen Situation am Weltmarkt und im Weltgeschehen: „Ich mache mir Sorgen um meine Fonds, die immer weniger werden. Was soll ich denn tun? Einfach alles verkaufen? Und was dann?“

Das sind Fragen, die sich Vielen stellen und das ist ja auch sehr nachvollziehbar: Alle Depots sind mehr oder weniger im Minus. Das ist ungewohnt, zumal wir über so viele Jahre im bei den Aktien quasi verwöhnt waren – denn die Kurse kannten ja nur eine Richtung: Nach oben. Die Fonds waren über so viele Jahre zweistellig im Plus. Und nun so plötzlich das Gegenteil.

Per Ende September verzeichnete der DAX ein Minus von 24,6% – wenn wir uns zunächst die Aktienkurse anschauen. Ganz besonders betroffen waren die sogenannten „Wachstumsunternehmen“, darunter viele Tech-Konzerne. Hier per Ende September exemplarisch der Nasdaq Composite – der war nämlich sogar mit 31,4% im Minus. Alle Zahlen gerechnet ab Jahresbeginn 2022.

 

DAX: Minus von 24,6% | Nasdaq Composite: 31,4% im Minus

Das muss erst einmal „verkraftet“ werden – also, wenn Nicole auf ihr Depot schaut, lässt sich schon gut verstehen, dass sie dabei unruhig wird und sich fragt, wie es weiter geht und gehen kann.

Die Zukunft vorhersagen, kann keiner. Aber es lassen sich zumindest Trends bestimmen und die Zusammenhänge näher darstellen. Zunächst hängt eine Reaktion auf ihre Frage aber davon ab, mit welchem Ziel Nicole ursprünglich angelegt hatte, ob das noch aktuell ist, sich eventuell etwas bei ihr verändert hat und dabei stellt sich auch die Frage mit welchem Zeithorizont sie anlegt – und, wenn Nicole hier wäre, dann würden wir uns ihre Fonds einmal anschauen.

 

Anlageklassen und Länder prüfen

Zunächst einmal in welche Anlageklassen und in welchen Ländern sie investiert ist. Denn Erfahrung in der Beratung zeigt, dass viele nicht wissen, was sie da eigentlich besitzen. Da entpuppt sich ein „ganz sicherer ETF“ öfter mal als ein Fonds, der ausschließlich in Aktien investiert mit einer SRRI von 6 – also mit fast der höchsten, gesetzlich definierten Risikostufe.

SRRI bezeichnet die Schwankungen an den Kapitalmärkten. Das ist auch nichts Schlimmes, wenn Nicole weiß, was sie hat und wenn das zu ihren Wünschen und Zielen passt. Das ist aber nicht bei allen Anlegerinnen oder Anlegern der Fall. Nun wissen wir nicht, was genau sie an Werten in ihren Fonds, also in ihrem Depot hat. Grundsätzlich ist es aber so, dass es in diesem Jahr in allen Bereichen, also in allen Anlageklassen, Verluste gab und gibt. Und das ist ein ganz neues Phänomen. Denn historisch gab es in der Regel eine Anlageklasse, die „nicht korrelierte“ – d.h. sich anders verhielt. Also, wenn es an der Börse runter ging, dann waren die Anleihen, also die festverzinslichen Anlagen stabil bzw. steigend – oder Gold und eventuell Silber sind in die Höhe gegangen. In diesem Jahr ist es tatsächlich erstmalig NICHT so. Alle Anlageklassen haben an Wert verloren – Aktien weltweit – Edelmetalle, Gold – sehr stark auch die Kryptowährungen, wenn man die dazu zählen möchte

 

Neben Aktien, den physischen Rohstoffen und den Immobilien – auf die wir hier und heute nicht näher eingehen wollen – gibt es dann vor allem auch noch die sog. „Anleihen“ – also die festverzinslichen Wertpapiere, die auch Renten oder Rentenpapiere genannt werden.

 

Und was ist mit den ehemals sicheren Anlagen wie Anleihen?

Anleihen wurden bis vor Kurzem oft als sichere Anlagen, Einstiegsgeldanlage und bei dem Thema „Anlageklassen“ als geringeres Risiko beschrieben.

Und es fühlt sich an, als würde es Jahrzehnte her sein, die Veränderungen, die in den letzten Monaten des Jahres 2022 stattgefunden haben, sind eigentlich dramatisch.

im Januar dieses Jahres (also 2022) hat der amtierende Finanzminister Lindner sich 4.000 Mio EUR am Kapitalmarkt geliehen für Deutschland – und das bis 2032. Also erst in knapp 10 Jahren müssen wir, muss Deutschland diesen Betrag zurückbezahlen. Und für diese ganze Zeit, also dieses Ausleihen von Geld – muss er, müssen, wir, muss Deutschland KEINE Zinsen bezahlen.

Deutsche Staatsanleihen werden „Bunds“ genannt und solche Anleihen – also mit Null-Prozent Zinsen auch als „Null Coupons“ bezeichnet. Jedenfalls war das im Januar bereits ein historischer Schritt, weil in den Jahren zuvor sogar noch negative Zinsen bezahlt wurden und das ist nicht nur aus heutiger Sicht total verrückt, beschreibt es doch eine mittlerweile historische Situation, die für das Grundverständnis von dem, was nun im Weiteren passiert ist, nützlich sein kann.

 

Der unbemerkte Crash am Anleihemarkt

Es geht nämlich um nicht weniger als um einen zunächst weitgehend unbemerkten Crash am Anleihemarkt. Die Kurseinbrüche am Anleihenmarkt haben in aller Stille historische Ausmaße erreicht. Wie gerade gesagt, es gab einen regelrechten Anleihecrash – ohne, dass in der Presse groß darüber berichtet wurde.  Wie kommt das? Zum Einen, wie konnte es dazu kommen – denn Anleihen, also festverzinsliche Anlagen sind doch eigentlich „sicher“ und gehen also nicht so stark nach oben oder unten – und dann, wie kann es sein, dass die Öffentlichkeit dies weitgehend gar nicht bemerkt?

Die Auswirkungen haben die meisten Menschen schon recht bald gemerkt – denn es geht ja um steigende Zinsen. Zunächst ab Januar in den USA – als die amerikanische Notenbank FED den Leitzins erhöhte – und zwar früher und deutlich mehr, als am Kapitalmarkt erwartet wurde. Daraufhin entstand am Kapitalmarkt die Erwartung, dass die europäische Notenbank (also die EZB) ebenfalls die Zinsen erhöhen würde. Das dauerte zwar noch etwas, aber im Mai erfolgte dann der erste – im Verhältnis drastische – Zinserhöhungsschritt auf 0,5 Prozent. Inzwischen ist es deutlich mehr und wird auch noch mehr werden.

Jetzt fragen Viele: „Steigende Zinsen, das ist doch ganz gut, oder? Das Verwahrentgelt ist überall weggefallen und so nach und nach gibt es ja inzwischen auch schon manchmal wieder Zinsen auf Tagesgeld und so – also viele Sparerinnen und Sparer freuen sich doch darüber?

Ja, das ist eine positive Auswirkung – vor allem auf den ersten Blick. Aber das mit den steigenden Finanzierungskosten für alle, die einen Immobilienkredit aufnehmen wollen bzw. eventuell erneuern müssen – also für diese Menschen ist das ganz schön schwierig.

Das stimmt – wobei es sich dabei keinesfalls um das „Drama“ handelt, das sich tatsächlich abzeichnet: Wenn wir überlegen, dass die deutschen Bunds, von denen wir vorhin sprachen, noch bis Januar 2032 laufen werden – was also bedeutet, dass dieser Betrag dementsprechend noch über fast 10 Jahre bzw. jetzt nur noch knapp 9 Jahre für NULL Prozent Zinsen verliehen wurde – also diejenigen, die das Geld verliehen haben NICHTS dafür bekommen, zugleich aber im Juli dieses Jahres erstmals seit 2011 die Zinsen in Europa um 0,5 Prozent angehoben wurden und inzwischen bei 1,25 Prozent liegen – in Kürze bei 2 Prozent – wer würde denn dann noch eine solche „alte“ Anleihe vom Januar haben wollen? Also, die Schulden, die Deutschland zu Null-Prozent Zinsen im Januar aufgenommen habt, sind sozusagen „verpackt“ in einem Wertpapier, genannt „Bunds“.

 

Verpackte Wertpapiere

Und diese Bunds sind in ihrer „Verpackung“ als Wertpapier an der Börse handelbar. Und dann wollen alle natürlich welche mit Zinsen – und die von Januar will niemand mehr haben – weil ja alle grundsätzlich mehr Zinsen haben wollen. Und deshalb sinkt der Kurswert dieser Anleihe. Denn, es gibt ja diesen Vertrag, dass das Geld erst 2032 zurückbezahlt werden muss – und in dieser Zeit keine Zinsen bezahlt werden müssen.

Steigen mit den Zinsen die Renditen, also die Erträge am Kapitalmarkt, sinken die Kurse der Wertpapiere, die noch zu niedrigeren Sätzen herausgebracht, d.h. ausgegeben beziehungsweise gekauft wurden. Es handelt sich also um eine Art „Mechanik von Anleihen“ und das ist nicht immer leicht zu vermitteln – und vielleicht liegt auch daran die mangelnde Bekanntheit des Bond-Crashes. Denn was wir gerade am Beispiel von deutschen Bunds besprochen haben, gilt auch für alle anderen festverzinslichen Wertpiere, den Bonds.

Stark vereinfacht sieht dieser Effekt so aus: Jeweils zu tagesaktuellen Kursen können Anleihen, also Bonds, gekauft und verkauft werden. Wenn dann der gleiche „Emittent“ (so werden diejenigen genannt, die sich Geld am Kapitalmarkt leihen – in unserem Beispiel war das Deutschland) eine neuere Anleihe begibt, also sich über einen ähnlichen Zeitraum Geld leiht, dafür aber mehr Zinsen bezahlt, dann sinkt der Kurs der Wertpapiere, für die weniger Zinsen bezahlt werden.

So gesehen ganz logisch – denn sonst müsste ja im Vergleich zu neueren Wertpapieren auf Ertrag, also auf Zinsen verzichtet werden, da diese besser verzinst werden. Und – wer will das schon?

Niemand – und so funktioniert an dieser Stelle eben auch der Kapitalmarkt. Nun ist es so, dass im Lauf dieses Jahres rund um den Globus die Zinsen und damit die Renditen so schnell – und – vor allem auch unerwartet – gestiegen sind, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Bei den Bunds war das der stärkste Zinsanstieg seit dem Jahr 1994 – und das passierte bereits alleine im ersten Vierteljahr diesen Jahres – 2022.

Bei den US-Staatsanleihen mit kurzen bis mittleren Laufzeiten gab es zuletzt 1984 ein Vierteljahr mit höheren Renditeausschlägen als zu Beginn dieses Jahres. Demzufolge waren die Verluste da auch – ja man könnte fast sagen – dramatisch hoch.

 

Mit „Risikoarm“ ins Risiko?

Dramatisch auch, weil wir ja gerade NICHT über Aktien und die Aktienmärkte sprechen, sondern über festverzinsliche Anlagen – die doch eigentlich als „sicher“ eingestuft wurden. Deutsche – und auch US-amerikanische – Staatsanleihen sind als „risikoarm“ eingestuft – auf der gesetzlichen Risiko-Klassifizierungs-Skala (SRRI), die ja von 1-7 geht – und hier sind wir im Bereich 1 oder 2.

Das ist ein Gegensatz zur 6 von der anfangs im Zusammenhang mit Nicoles Depot die Rede war. Hier sind die meisten ETFs eingestuft, weil sie in der Regel ausschließlich in Aktien investiert sind und auch zahlreiche aktive Fonds haben eine SRRI von 6. Das ist auch ok – wenn dies der Anlegerin bzw. dem Anleger bewusst ist.

Nun sprechen wir hier über „risikoarm“ – also SRRI 1 und 2, wo die Bunds und die amerikanischen Staatsanleihen einzustufen sind – wie kommt diese Einstufung zustande?

Wir haben das Beispiel von deutschen Bunds – bzw. auch von Staatsanleihen der USA – und Deutschland, sowie die USA gehören zu den Ländern mit einer sog. „hohe Bonität“ und die Volatilität dieser Bonds war – historisch – niedrig.

„Bonität“ bedeutet, „wie wahrscheinlich es ist, dass jemand seine Schulden zum Zeitpunkt der Fälligkeit zurückbezahlen wird“ – und „Volatilität“ – da geht es um die Schwankungen an den Kapitalmärkten, also, wie stark die Kurse steigen und/oder fallen. Aber wieso wurden und werden die Zinsen denn weltweit so dramatisch erhöht?

 

Inflation und steigende Zinsen

Das kommt, weil die Notenbanken die Inflation bekämpfen wollen und müssen – im Mai dieses Jahres war die Inflation in Deutschland bereits auf dem höchsten Stand seit dem Winter 1973/1974 – und da betrug die Inflation, also die Kaufkraftteuerung, etwa 7,9%. In Deutschland waren wir im September bereits bei 10,9 Prozent und in der Eurozone bei durchschnittlich 10 Prozent. Dabei reicht die Spanne von 6,2 Prozent in Frankreich bis hin zu über 20 Prozent in den baltischen Ländern.

Diese Spanne hängt vor allem mit dem sehr unterschiedlich starken Preisanstieg bei den Energiepreisen – innerhalb von Europa – zusammen. Was natürlich auch viel Konfliktpotential für die europäische Gemeinschaft mit sich bringt – neben allen weiteren Themen und Krisen, die aktuell gemeinsam und in Absprache zu bewältigen sind.

 

Aber zurück zu Nicole: Also sie macht sich Sorgen um ihre Fonds, weil diese immer weniger werden. Was soll sie denn tun?

Zum Einen schauen, was genau sie in ihrem Depot hat – und dann schauen, ob der ursprüngliche Grund, warum sie damit so angefangen hat, noch stimmt und passt. Wenn sie eine langfristig ausgerichtete Anlagestrategie verfolgt.

Da sie 34 Jahre alt ist, gehen wir davon aus, dass sie ihr Geld für mindestens 10 Jahre und vermutlich noch viele weitere Jahrzehnte investiert sein lassen kann – dann gilt, dass sich das Chance-Risiko-Profil vieler Investments – nach vorne schauend – deutlich verbessert hat. Auch wenn Krisen sich kaum über Nacht in Luft auflösen. Deutlich ist jedoch, dass an „Sachwerte“ – wozu eben auch und gerade jetzt die Aktien gehören, langfristig kein Weg vorbeiführt. Und langfristig bedeutet mindestens 10 Jahre – besser länger. Also Aktienfonds und zwar eher aktiv verwaltete offene Aktieninvestmentfonds – im Gegensatz zu den passiven Fonds, den ETFs, die einen Index nachbilden.

 

Zusammenfassend zählt: Wenn Nicole eine gut überlegte, langfristige Aktieninvestmentstrategie verfolgt, die auch weiterhin zu ihren Wünschen und Zielen passt, dann macht es gerade auch jetzt Sinn, dabei zu bleiben.

Auch hier gilt, wie für alle übrigen Blogbeiträge, der Hinweis, dass es sich hier NICHT um eine Anlageberatung im gesetzlichen Sinne handelt, sondern um eine allgemeine Darstellung der Zusammenhänge und Sachverhalte – so dass sich die Lesenden eine eigene Meinung bilden können und sollen – um dann eine individuelle Entscheidung treffen zu können. Bei Bedarf wäre sonst eine individuelle Anlageberatung aufzusuchen.

 

 

Weiterführende Links:
Blogbeitrag Nachhaltig Geld anlegen: Welche Anlageprozesse gibt es neben Ausschlusskriterien?

Blogbeitrag Nachhaltigkeitspräferenzen kennen und angeben – was hat es damit auf sich?