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Zinssteigerungen, negative Rendite, Leitzins – was ist was?

Heide und Dieter haben uns geschrieben – sie sind beide Mitte 70: „Wir würden gerne Vorschläge bekommen, wie wir zumindest etwas mehr als 0 % Zinsen, bzw. negative Rendite durch die Inflation für unser Geld, Euros und Dollar bekommen können. In unserem Alter präferieren wir sinnvollerweise einen Anlagehorizont von circa 3 bis 5 Jahren, zumal wir an uns und nicht an die Erben denken.“

In dieser Frage sind einige aktuelle Themen adressiert, die nicht nur Heide und Dieter beschäftigen, und diese möchten wir mit diesem Blogbeitrag aufgreifen. Um da eine Antwort geben zu können, müssen wir in einige Details einsteigen und die Begriffe etwas auseinanderziehen und definieren, bevor wir dann zu der eigentlichen Antwort kommen können.

Zuerst einmal: Der Begriff „Negative Rendite“. Das klingt nach negativen Zinsen. Die gibt es jedoch nicht mehr. Negative Zinsen gab es vor etwa einem Jahr. Es ging dann aber sehr schnell, dass die Zinsen erhöht wurden. Die negativen Zinsen wurden flächendeckend im September 2022 abgeschafft. Jetzt ist Februar / März 2023, das ist wichtig festzuhalten, da sich die Entwicklung an den Kapitalmärkten und auf den Zinsmärkten in einem Jahr überschlagen hat.

Sowohl in Europa durch die EZB und vor allem durch die amerikanische Zentralbank wurde der Leitzins seitdem mehrfach erhöht. Am 01. Februar wurde nochmals um 0,25 % erhöht, somit liegt das Zielband für die Leitzinsen in den USA durch die Fed bei 4,5 bis 4,75 %. Das ist damit der höchste Stand seit 2007. Dieses ist eine Entscheidung, die weitgehend erwartet wurde. Damit hat die amerikanische Notenbank dieses rasante Tempo der Zinserhöhung vom letzten Jahr ein wenig verlangsamt, denn die letzten Zinsschritte, sieben an der Zahl, lagen jeweils um 0,5 bzw. 0,75 %.

 

Inflationsbekämpfung durch Leitzinserhöhung

Das bedeutet also, dass die Zentralbank innerhalb eines Jahres das Zinsniveau um ganze 4,5 % erhöht hat. Und das ist die größte Geschwindigkeit bei einer Zinserhöhung in so kurzer Zeit seit den 1980iger Jahren. Die Zielsetzung ist, den gewaltigen Preisanstieg in den USA, den wir auch in Europa sehen, einzudämmen, d.h. die Inflation zu senken. Damit, dass die Zinsen steigen, will man als Notenbank die Inflation in den Griff bekommen. In früheren Jahren wurden die Zinsen gesenkt, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Bei uns in Europa ist es seit Mai der Fall, dass die Zinsen erhöht wurden. Also deutlich später als in den USA. Man hat hier lange darauf gewartet, doch zwischenzeitlich wurde bereits mehrfach erhöht. Der fünfte Zinsanstieg in Folge war erst kürzlich und damit liegen wir jetzt bei 3 %. Was enorm ist und somit der höchste Stand in der Eurozone seit 2008.

 

Zinsanstiegsvorteile vs. Anlagencrash

Dadurch, dass die Zinsen gestiegen sind und auch noch in diesem Tempo, wie wir gerade gehört haben, ist es so, dass vorhandene festverzinsliche Anlagen oder Rentenpapiere nicht mehr so attraktiv sind, denn für diese erhält man ja während ihrer Laufzeit keine Zinsen. Attraktiver sind neu aufgelegte Anleihen, da sie einfach mehr Zinsen bieten.

 

Sollte unser Paar jetzt Anleihen kaufen?

Das ist eine gute Überlegung. Allerdings ist es so, dass einzelne Anleihen immer auch ein Klumpenrisiko bieten, weil die Bonität des Emittenten, also des Unternehmens oder des Staates, der das Geld aufnimmt, im Zentrum steht. Wichtig ist dabei zu bewerten, ob der Schuldner, das Unternehmen, bzw. ein Staat, am Ende der Laufzeit, das Geld auch zurückzahlen kann. Das nennt man Bonität. Wenn der Schuldner eine gute Bonität hat, dann sind die Zinsen weiterhin nicht so hoch, aber trotzdem empfehlenswert. Einzelne Anleihen in einem Depot machen auch nur Sinn, wenn man ein großes Vermögen hat, weil immer auch ein Risiko bleibt, dass ein großes Unternehmen oder ein Staat nicht in der Lage sein könnte, die Anleihe zurückzuzahlen. Außerdem sinken, bei weiter steigenden Zinsen – wovon wir derzeit ausgehen, die Kurse der bereits vorhandenen Anleihen mit Laufzeiten von mindestens 10 Jahren, denn alle anderen Anleger, die nicht nur Privatpersonen sind, sondern auch Institutionen, haben natürlich mehr Interesse, eine Anlage zu kaufen, die noch mehr Zinsen bringt.

 

Ist ein Ende der Zinserhöhungen absehbar?

Das ist eine hervorragende Frage, denn sie wird die ganze Zeit an den Kapitalmärkten gestellt. Aber das weiß letztendlich niemand. Der Kapitalmarkt erwartet eigentlich ein Ende. Zugleich hat aber die amerikanische Notenbank signalisiert, dass sie das nicht vorhat. Die aktuelle Erhöhung wurde positiv aufgenommen, weil sie weniger hoch war als erwartet.  Anders formuliert, es ist das eigentliche Ziel der Notenbanker die Inflation zu senken, doch dies ist noch nicht in dem Maße erfolgt, wie das von Seiten der Notenbank erwartet wird. Lange Rede, kurzer Sinn: Es ist im Moment einfach unkalkulierbar, wann die Zinserhöhungen aufhören. In einer Zeit globalen Wandels wäre die Geldanlage in Anleihen ein Risiko.

Heide und Dieter haben ja geschrieben, dass sie zumindest etwas mehr bekommen möchten als 0 % Zinsen bzw. negative Rendite durch die Inflation für ihr Geld – also Euros und Dollars. Das Thema negative Renditen haben wir ja schon eingangs beschrieben. Davor brauchen sie keine Angst mehr zu haben. Es ist mittlerweile in der Regel so, dass man auf Tagesgeld- und Festgeldkonten Zinsen bekommt. Die liegen in der Regel bei 1 bis 2 % bei Tagesgeld im Euro-Raum. Wenn man ein Tagesgeldkonto in USD hat – das ist in Deutschland nicht ganz so einfach und selbstverständlich zu finden und wenn ja, dann sollte man ein bisschen auf die Kosten eines solchen Kontos schauen – kann es sein, dass man etwa 3,8 % Zinsen bekommen kann. Die sind aber in Deutschland Abgeltungsteuer-pflichtig. Und zugleich besteht beim USD-Währungskonto ein entsprechendes Währungsrisiko, d.h. der Euro kann sich weiterhin positiv entwickeln, also stärker sein als der USD, wie es in den letzten Monaten der Fall war. Oder der Dollar wird wieder stärker, wie im ersten Dreivierteljahr 2022 der Fall. In USD hätte man so um und bei 5,5 % Währungskursgewinne machen können, wenn man am 01.01.2022 bereits investiert gewesen wäre.  Die Investition in USD kann eine Chance sein, aber es kann sich natürlich auch als Risiko entpuppen.

Man muss die Gesamtsituation von Heide und Dieter einschätzen. Was haben sie an Vermögen und wie hoch ist ihre Liquidität? Grundsätzlich ist es so, dass der Euro noch nie eine Inflation erlebt hat. Strukturell bleibt die Währung des Euros ein „Problemkind“, da wir sehr unterschiedliche Länder im Euroraum haben, mit unterschiedlichen Inflationsraten. Auf jeden Fall ist es so, dass auch bei knapp 4 % Zinsen auf USD, Heide und Dieter die Kaufkraftteuerung auf 4 bis 5 Jahre damit nicht auffangen könnten. Dafür müssten sie im Schnitt 7 % pro Jahr erwirtschaften. Eine sichere festverzinsliche Anlage mit 7 % Zinsen, die dazu noch wenig schwankt, werden sie zum aktuellen Zeitpunkt nicht finden.

 

Bietet Festgeld eine Lösung?

Im Gegensatz zum Tagesgeld, über das wir gerade gesprochen haben, ist es so, dass man sich beim Festgeld auf eine bestimmte Zeit festlegt: 6 Monate, 12 Monate, das Maximum ist in der Regel 3 Jahre – und dafür einen höheren Zinssatz bekommt als bei Tagesgeld. Das ist aber nicht so viel mehr – bis zu ca. 3 % im Euroraum.

Drei Jahre Geld festzulegen, ist aus meiner Sicht ein extrem langer Zeitraum und für diesen ist man festgelegt. Man kommt aus einem Festgeldvertrag nicht so einfach raus. Da muss man die Bedingungen im Vertrag genau lesen. Gibt es eine Entschädigung, die man zahlen muss, wenn man früher kündigt oder kann man einfach so kündigen? Dies ist in der Regel aber nicht der Fall. Außerdem wissen wir nicht, wie das mit der Inflation in Europa weitergehen wird. Nun ist das so, dass der Höhepunkt in Europa im Oktober 2022 bei 11,1 % lag und dann drei Monate gefallen ist. Im Dezember lag er bei 9,2 %, im Januar 2023 dann eben bei 8,5 %. Selbst wenn es im nächsten Monat noch mal fallen würde, ist die Differenz zwischen 3 % auf 8 % auf so eine lange Zeit recht hoch. Ich würde empfehlen, dass unser Paar genau überlegt, wann es welches Geld brauchen wird. Benötigen die beiden in 5 Jahren wirklich schon ihr ganzes Vermögen?  Mit Mitte 70? Die Lebenserwartung von Menschen ist deutlich über 80 – wie das individuell ist, weiß natürlich niemand. Es steht die Frage im Raum, ob das ihr einziges Vermögen ist oder ob es noch weiteres Vermögen gibt. Ich würde empfehlen, dass sie sich einen groben Zeitplan machen.

Das bedeutet konkret: Ganz unkompliziert mit Zettel und Stift sich zu überlegen, wann sie welches Geld benötigen. Den Betrag, den sie in 3 bis 4 Jahren tatsächlich benötigen in Tagesgeld, aufgeteilt in Euro und USD (wenn sie ein USD-Währungskonto besitzen), festlegen. Verbunden damit natürlich die Akzeptanz, dass in dem Fall für diese Summe die Kaufkraft nicht zu 100 % erhalten bleibt.

Die Frage, die wir gestellt bekommen haben, ist ja für Menschen im fortgeschrittenen Alter. Allerdings passt das auch für jüngere Menschen, die ein bestimmtes Ziel haben, z.B. Autokauf, Immobilienkauf in 3 oder 5 Jahren. Da ist die Frage doch genauso relevant. Grundsätzlich empfehle ich deshalb immer, dass man sich einen Plan auf Zeit macht und den natürlich immer wieder neu bewertet – so einmal im Jahr macht Sinn, bzw. immer, wenn es Veränderungen gibt, in der Form, dass man seine Geldziele in kurz-, mittel- und langfristig einteilt.  Was brauche ich im nächsten Jahr, in den nächsten anderthalb Jahren, was habe ich da vor? Dann: Was brauche ich in den nächsten 2 bis 3 Jahren? Ist da irgendwas absehbar? Und dann: was brauche ich längerfristig und damit auch erstmal einfach nicht.

 

Und was wäre mit einer längerfristigen Anlage?

Im längerfristigen Bereich, würde ich sagen, dass an Aktien kein Weg vorbeiführt. Vermutlich andere Aktien- /Investmentfonds, als das in früheren Jahren der Fall waren. Vielleicht auch mit Tendenz in die USA – große, solide, weltweit agierende Konzerne. Wenn wir jetzt mal z.B. den SNP 500, den amerikanischen Index, in dem die 500 größten Unternehmen in den USA versammelt sind, betrachten, dann ist es so, dass historisch seit dem 1. Weltkrieg der SNP 500 die Gewinne im Schnitt alle 10 Jahre verdoppelt hat. D.h. da ist ein Ertrag auch über Zeit zu erwarten, mit dem die Kaufkraft erhalten werden kann. Aber es müssen die Schwankungen, die Verluste in den Jahren dazwischen auch ausgehalten werden können. Deswegen muss man sich ein Stück weit damit befassen, und das ist der Grund, warum wir Informationen weitergeben, hier in unserem Blog und auch in unserem Podcast. Damit möchten wir Informationen vermitteln, um Orientierung zu geben und dabei zu helfen, aktuelle Fragen und Fragestellungen ein Stück weit individuell einordnen zu können.

 

Weiterführende Links:

Fonds in stürmischen Zeiten – Anlageklassen, ein unbemerkter Crash im Anleihemarkt und steigende Zinsen
Inflation bei Verbraucherpreisen versus Inflation bei den Vermögenspreisen – und: was bedeutet das nur für die Finanzplanung?